Die Forschung zum Früh- und Altneolithikum rund um die Westkarpaten konzentriert sich traditionell auf die fruchtbaren Lößregionen des Flachlandes, sei es im Süden der Berge in der Slowakei, in der Umgebung von Nitra oder im Norden in der Umgebung von Krakau und entlang der Weichsel.
Erst allmählich gerieten demgegenüber periphere Räume in den Blick, so etwa das Zipser Becken am Fuß des Tatra-Gebirges. In den Bergen selbst hingegen waren lange keine Fundstellen bekannt, die auf eine reguläre Besiedlung hindeuten würden, so auch bei der ersten Kartierung von Fundpunkten des Neolithikums in den polnischen Karpaten, die von mittleren Höhenlagen aufwärts keine stabilen Siedlungsformen auswies. Erst in den 1990er Jahren entdeckten Archäologen des Landesdenkmalamts in Tarnów mehrere neolithische Fundpunkte in größerer Höhe und die Polnische Akademie der Wissenschaften begann ein Forschungsprojekt auf frühneolithischen Fundstellen im Wiśnicz Hügelland.
Die sich einstellenden Erfolge dieser Arbeiten ermöglichten eine Ausdehnung dieser Forschungen auf angrenzende Territorien, und durch die Unterstützung der Alexander von Humboldt-Stiftung konnten im Rahmen eines polnisch-deutschen Projektes die Fundstellen im Wiśnicz Hügelland eingehender untersucht werden. Dabei wurden großflächige Oberflächensurveys ebenso durchgeführt wie Ausgrabungen.
Drei große Siedlungskomplexe wurden untersucht: in Łoniowa, in Żerków und Besiadki. Die Ergebnisse dieser Arbeiten lassen die Problematik transkarpatischer Kontakte während des Neolithikums in neuem Licht erscheinen. Es konnte gezeigt werden, dass auf den Gipfeln des Wiśnicz Hügellandes eine bis dato unbekannte Siedlungskonzentration aus dem Frühneolithikum existiert. Die Grabungen brachten einige interessante Besonderheiten zutage: Erstens sind die Siedlungen - auf bislang gänzlich unbekannte Weise - direkt auf den höchsten Erhebungen des Hügellandes situiert. Von großem Interesse sind ferner Bestattungen in den hier entdeckten Häusern der frühneolithischen linearbandkeramischen Kultur. Auffällig ist schließlich auch, dass die Entfernungen zwischen den einzelnen Siedlungen des Hügellandes wesentlich geringer sind als in den bisher bekannten Siedlungskammern dieser Kultur, in den besser erforschten Siedlungskammern im Flachland.
Neben der Anwesenheit einer Bevölkerung der linearbandkeramischen Kultur an sich, sind Elemente besonders hervorzuheben, die die späteste Entwicklungsphase dieser Kultur (Żeliezovce) charakterisieren. Ferner konnten in Tworkowa Siedlungsspuren der Malice Kultur dokumentiert werden, die bisher so weit südlich in den Karpaten nicht entdeckt worden war.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass unsere Untersuchungen ein sehr viel differenzierteres Bild der neolithischen Erschließung peripherer Räume der Westkarpaten erkennen lassen als bislang bekannt. Das Hügelland und die Vorgebirgszone wurden nicht allein im Rahmen transhumanter Nutzungsformen saisonal begangen oder im Rahmen der Fernkontakte mit dem Karpatenbecken entlang der Flussysteme beziehungsweise der Pässe durchquert. Vielmehr kam es in kleinklimatisch begünstigten Zonen und auf fruchtbaren Böden wie etwa im Wiśnicz Hügelland bereits frühzeitig auch zu einer regulären Besiedlung, die in dieser Höhenlage noch vor einigen Jahren kaum jemand erwarten hätte.
Paweł Valde-Nowak